Mittwoch, 31. Januar 2007

Durch die wilden Karpaten - vorbei an Bären und Wölfen

Die Holzkirche von Kolodne

Tag 1
Am späten Vormittag fuhren wir in Berlin los. Zuvor hatte ich mir noch schnell eine Auslandskrankenversicherung für die Ukraine gekauft, bei der bis heute nicht klar ist, ob sie vorgeschrieben ist oder nicht. Fakt ist, das wir sie schon an der Grenze vorzeigen mussten. Da sich so etwas öfter ändert, ging ich auf Nummer sicher.

Wir fuhren an Frankfurt./O, über die polnische Autobahn bis nach Krakow und von dort auf der Landstraße. Bis Krakow ging es echt flott und danach faulten wir auf der Landstraße ab, die von Baustellen übersät war. Die ehrgeizigen polnische Straßenbauer haben sich gleich 75 km Landstraße als einen Bauabschnitt vorgenommen. Dazu kam schwerer Lastverkehr von und in die Ukraine. Teilweise ging es im Schritttempo über Kilometer! Aber das ist wohl eher ein temporäres Problem, das nach Fertigstellung aller Baustellen auch sein Ende findet. Wir bogen jedenfalls vorher und ziemlich entnervt ab, denn wir hatten ja noch ca. 300 km vor uns. Die Zeit verging, die Sonne ging unter und wir jagten im Schweinsgalopp durch träumende polnische Dörfer.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir die polnisch- ukrainische Grenze bei Kroscienko, an der wir etwas mehr als eine Stunde warten mussten. Das ist für die Einreise eine relativ lange Zeit. Die Grenzer waren korrekt und wir reisten problemlos in die Ukraine ein. Nach meiner Versicherung fragte natürlich niemand.

In der Ukraine gegen halb elf nachts angekommen, fuhren wir nach Stary Sambir und fanden zu unserem eigenen Erstaunen Unterkunft im besten Haus am Platz – genau im Zentrum. Nun sollte man sich das beste Haus am Platz nicht wie in Deutschland vorstellen, aber wir hatten jeder ein Bett, es gab kaltes und warmes Wasser – was will man mehr.


Auf dem Weg durch die Karpaten


Tag 2
Nach einer kurzen Stadttour durch Stary Sambir machten wir uns auf den Weg nach Uschgorod, immer entlang der Grenze. Die Fahrt führte uns quer durch die Karpaten, die Straßen waren menschenleer, manchmal andere Autos und noch seltener Menschen.

Mitten in den Bergen wurden wir an einem DAI gestoppt, einem Polizeiposten, der die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer im Auge hat. Hier oben in den Bergen, wo alle paar Stunden mal ein motorisiertes Gefährt vorbei kommt, mutet so ein Posten schon ziemlich absurd an. Und nun langweilte sich der junge Polizist so sehr, dass er uns in ein Gespräch verwickeln wollte. Wo wir herkommen, wo wir hinfahren, dass dies hier nicht die direkte Route sei und wir zurückfahren müssten auf die direkte Route. Wir machten ihm freundlich aber bestimmt klar, dass die Zeiten der vorgeschriebenen Reiserouten auch in der Ukraine vorbei seien und man jetzt auch eine individuelle Route befahren dürfe.

So ließ er denn auch nach ungefähr 15 Minuten voller Argumente und Gegenargumente, Pass- und Fahrzeugkontrollen von uns ab uns ließ uns passieren. Wir waren unserem Schöpfer dankbar, dass wir ihm seine Langeweile für eine Zeit vertreiben konnten.

Und weiter gings vorbei an Dörfern, alten Holzkirchen, alten und jungen Menschen nach Uzhgorod. Die Stadt begrüßte uns mit ihren vertrauten Schlaglöchern und mahnte uns eindringlich, das Auto nach Einbruch der Dunkelheit stehen zu lassen. In der Ukraine setzt sich die alte Weisheit, im Dunkeln mit Licht zu fahren, nur zögerlich durch. Dazu kommt die abenteuerliche Fahrweise mancher Ukrainer.

Wir bezogen Quartier in unserem geliebten Stammhotel Switanok, das sich durch sowjet-sozialistischen Charme und Standard auszeichnet. Dann zogen wir in die Stadt. Es war lau, die Usch floss zu unseren Füssen und als einzige Männertruppe schlenderten wir die längste Lindenallee Europas entlang, kreuzten unzählige verliebte Pärchen und endeten im „Kaktus“ einer im Wildweststil eingerichteten Kneipe mit Diskofläche im Keller. Beim eiskalten Bier planten wir unsere weitere Reise.


Alte Ladenbeschriftung in Uzhgorod
Laden mit tschechischer und ungarischer Beschriftung in Uzhgorod


Tag 3
Uschgorod hat sich den Flair der österreichisch-ungarischen Monarchie erhalten. Es gibt zahlreiche Gebäude im Gründerzeitstil, unter dem neuen Putz findet man an alten Läden noch Aufschriften in tschechisch und ungarisch.

Um Uzhgorod richtig kennen zu lernen, unternahmen wir eine Stadtwanderung, besichtigten auf dem Hügel das Schloss und das Museum Skansen, in dem aus vielen Dörfern der ukrainischen Karpaten traditionelle Holzhäuser und –kirchen in den Dörfern der Bojken, Lemken und Huzulen abgebaut, hierher gebracht und wieder originalgetreu aufgebaut wurden. In den Museumshäusern sitzen alte Omis, die einem liebevoll über das Leben der Menschen erzählen, die einst in diesen Hütten wohnten.

Zurück im Stadtzentrum nahmen wir heimlich an einer Aufführung einer Musikschulklasse in der Uschgoroder Oper teil und gingen danach durch das kubistische Viertel, das die Tschechen in den zwanziger Jahren erbauten, als dieser Teil der Welt mal zu ihnen gehörte. Wir spazierten noch einmal am Ufer der Usch entlang, die Linden dufteten, hübsche Mädchen kreuzten mit uns verstohlene Blicke und das eiskalte Bier schmeckte.

Am Nachmittag gings weiter nach Mukachevo, einer kleinen Stadt östlich von Uzhgorod. Diese strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Ihr Highlight ist die Fußgängerzone im Zentrum der Stadt.

Wir übernachteten im Hotel Delfin, das man problemlos empfehlen kann, es ist neu gebaut und bietet die Vorzüge der westeuropäischen Zivilisation.


Das Narzissental
Das Narzissental

Tag 4
Ende Mai ereignet sich in den Südausläufern der ukrainischen Karpaten ein eindrucksvolles Naturereignis, das seinesgleichen sucht. In der Region um Chust erblühen wild und ungesteuert Millionen Narzissen auf Wiesen, Äckern und färben das Land in ein frisches Weiß und Gelb. Die Region ist mittlerweile Teil des Karpaten- Biosphärenreservates und als solches geschützt zugänglich. Dorthin fuhren wir von Mukatschewo und verbrachten einen erholsamen sonnigen Tag mitten im süßen Duft des Narzissentals. Von dort fuhren wir in die Karpaten hinein und wollten ein weiteres Biosphärenreservat in Mala Uholka besichtigen und durchwandern.

Unterwegs entdeckten wir in Kolodne eine wunderschöne alte originale Holzkirche aus den Karpaten. Wir waren fasziniert und betroffen zugleich, denn neben Ihrer Schönheit trug die Kirche deutliche Spuren des Verfalls. Als wir die Dorfbewohner darauf ansprachen, mussten wir wieder einmal erfahren, dass der gute Wille da ist, jedoch das Geld fehle. Präsident Juschtschenko selbst hätte das Geld schon zugesagt, allein - es sei noch nicht eingetroffen.

Da es schon wieder dunkelte, beschlossen wir, im Dorf eine Unterkunft zu suchen. Wir gingen in den Dorfladen und fragten, wer denn hier im Dorf Leute übernachten ließe. Wir waren wieder einmal überrascht, die unglaubliche Gastfreundschaft der Leute zu erfahren. Die Ladeninhaberin machte sich sofort auf den Weg zu einer Nachbarin, um bei der nach einer Unterkunft nachzufragen. Inzwischen passte eine Kundin im Laden auf. Und wir hatten Glück, wir kamen bei einer Familie im Dorf für eine Nacht unter. Man räumte uns das eigene Schlafzimmer und rückte in einem anderen Schlafzimmer zusammen.

Die Familie bestand aus fünf Frauen - zwei Omas, zwei Müttern Anfang 40 und einer Tochter. Sie leben in Ihrem eigenen Bauernhof. Der besteht aus einem Wohnhaus mit drei Zimmern und Bad und einer Scheune mit einer Kuh und Nutzräumen. Die Kuh liefert die Milch und Dung für die Gemüsebeete.

Die Omas handeln mit dem Brot für das ganze Dorf, d.h. einmal in der Woche kommt ein Lkw (mit tschechischem Werbeaufdruck, aber ukrainischem Kennzeichen) und bringt um die 100 Brote, die dann in den Nutzräumen der Scheune eingelagert werden. Im Laufe der Woche kommt dann das ganze Dorf bei den Omas vorbei, kauft die Brote und die Omas verdienen sich damit ein Zubrot zur Rente. Natürlich haben sie auch einen Garten, der ihnen Gurken, Tomaten, Kartoffeln usw. liefert.

Die Mütter arbeiten in Tschechien in einer Fleischfabrik und kommen alle zwei Monate mit dem Bus nach Hause. Dann bringen sie Ersatzteile für Haushaltgeräte, Kosmetika, Klamotten und alles andere mit, was man so handeln kann in einem Dorf ohne Kanalisation. Die Jüngste feiert gerade ein Übergangsjahr zwischen Schule und Schwesternschule. Meistens langweilt sie sich.

Alle Männer der Familie sind weggestorben oder weggelaufen. Das Erstaunliche dabei war, dass wirklich alle technischen und baulichen Objekte in einem ausgesprochen gepflegten Zustand waren - alles funktionierte, obwohl oder vielleicht gerade weil der Hof von Frauen verwaltet wird. Das ist uns sonst in der Ukraine nicht passiert. Aber das ist nur eine kleine persönliche Beobachtung.

Wir sind von den Frauen sehr gastfreundlich für eine Nacht aufgenommen worden, sie bewirteten uns ordentlich mit Gemüsesuppe "Quer durch den Garten", Brinsa, einer karpatischen Käsespezialität, und Brot.

Blick vom Gipfel des Tschur über die Karpaten
Blick vom Gipfel des Tschur über die Karpaten

Tag 5
Gut ausgeschlafen fuhren wir in das Biosphärenreservat Mala Uholka, einem Teil des Karpaten Biosphärenreservats, um den Tschur zu besteigen und die Felsenbrücke zu bestaunen, die angeblich schon Kaiser Franz Ferdinand beeindruckte. Das Besondere an den ukrainischen Wanderwegen sind weniger die Wege und mehr der Anstieg und das Gefälle. Die zweite Herausforderung sind die mehrheitlich unmarkierten Wanderwege, für die ein ortskundiger Führer immer eine tolle Hilfe ist. Wir hatten keinen. Wir machten GPS. Marten konnte uns endlich beweisen, wofür er während der Fahrt immer sein Gerät aus dem Autofenster gehalten hatte und unsere Reiseroute aufzeichnete.

Auf dem steilen Weg zum Tschur kamen wir an der Höhle Druzhba (Freundschaft) vorbei, zu der uns der Parkwächter erzählt hatte, dass sie unter dem Einstiegsloch 40m senkrecht nach unten falle und eine horizontale Ausdehnung über mehrere Kilometer hätte. Da wir jedoch nicht die geforderte Sicherheitsausrüstung dabei hatten, durften wir nicht reinsteigen. Also mussten wir weiterwandern. Schade!

Steile Bergpfade, mal sichtbar, mal nicht, zogen sich den Berg hinauf, die unberührte Natur wahr wunderschön, wir wandelten mehr, denn wir wanderten. Ab und zu schenkte uns die Sonne einen Sonnenstrahl durchs grüne Walddach. Und höher gings. Und höher. Irgendwann ragte aus dem Berg nur noch ein Felsen weiter noch oben – der Tschur. Einen Weg gab es nicht, man musste sich an Pflanzen hinauf hangeln. Dann standen wir auf dem Gipfel und waren stolz wie Oskar, diesen für mitteleuropäische Flachländler ziemlich anspruchsvollen Aufstieg geschafft zu haben. Und wir waren froh, dass es nun wieder abwärts ging. Dachten wir.

Irgendwo sollte noch die beeindruckende Felsenbrücke sein, die wir noch sehen wollten. Leider war sie nicht ausgeschildert. Das merkten wir, als wir unten angekommen waren. Mittlerweile war die Sonne zum Mittagessen gegangen und ließ den Regen als Platzhalter zurück. Die steilen Waldwege entwickelten sich zu schlammigen Schlitterbahnen. Und jetzt noch mal zurück? Nur ein Held traute sich, wir anderen beiden Schlaffis blieben unten. Der Held nahm nicht mal seine Jacke mit, wie gesagt – ein Held! Einer, der nicht wusste, dass es gleich richtig regnen würde. Und das tat es. Wir standen unten im Tal, wie begossene Eselchen und wussten nicht wohin, wir mussten ja auf Marten warten. Held Marten kletterte im strömenden Regen im Wald herum, auf der Suche nach etwas, von dem wir mal nicht wußten, ob es den Aufwand überhaupt wert war. Nach über einer Stunde kam ein klitschnasser Marten die Abhänge heruntergeschlittert. Er hatte es geschafft! Die Felsenbrücke existiert. Und wir können es beweisen!

Die Felsenbrücke im Reservat Mala Uholka
Die Felsenbrücke im Reservat Mala Uholka

Tag 6-8
Es zog uns nach oben – in die Berge. Die sind in der Ukraine ja nicht so hoch wie vielleicht die Alpen. Dafür ist hier wirklich Stille gemeint, wenn von Ruhe die Rede ist. Dieser Landstrich ist so dünn besiedelt, dass Einsiedler und Zivilisationsflüchtige ihre Passion finden werden.

Unser Ziel war der Naturpark Sinewir. Hier entdeckten wir vor fünf Jahren ein weggeschwemmtes Museum der Holzflößerei, das in den Jahren 1997 und 2001 durch das Tauwasser aus den Bergen komplett weggeflutet wurde. 2003 waren wir erneut hier und ein sympathischer Lehrer erzählte uns, was die Regierung für große Wiederaufbaupläne für das Museum hätte. Und wie 2003 besuchten wir es auch in diesem Jahr und wollten schauen, wie weit die Reparaturen sind. Mehrmals sollte es schon repariert und auf den neusten Standard gebracht werden, mit Fremdenzimmern und allem pipapo. Der Status, den wir vorfanden, entsprach dem Stand von 2003.

Also suchten wir uns eine andere Unterkunft und brannten auf zwei schöne Tage in den einsamen Karpaten. Wir könnten hier stundenlang wandern, Karpatendörfer entdecken, auf dunklen Waldpfaden schleichen, wenn nicht ……….. ja, was war passiert?

Am Anfang war der Regen, der uns im Haus hielt. Ein ekliger Strippenregen, der ewig dauerte und den Boden überall zur Schlammschlacht machte. Was als Ausflugsziel blieb, war die einzige Kneipe am Berg, die mit eiskaltem Bier und schlechtem Essen glänzte.

Eins der beiden gab mir dann den Rest. Gequält von einem ausgewachsenen Darmkatarrh war ich in den nächsten zwei Tagen nicht mehr aktionsfähig, Durchfall und ausgeprägte Übelkeit quälten mich, ich lag im Bett und fühlte mich wie Jesus am Kreuz.

Also mussten Micha und Marten allein auf die Berge krauchen, Bären an den Zehen killern und Wölfe beim Blinde-Kuh-Spiel fotografieren. Sie brachten reiche Beute mit, aber das Wetter trieb sie auch in den folgenden Tagen zurück ins Zimmer.

Da wir als vernünftige Deutsche einen Zeitplan hatten, mussten wir am Tag darauf wohl oder übel weiter…

Am Ufer des Sinewir
Am Ufer des Sinewir

Tag 9-11
… und fuhren nach Rachiw, einer Stadt in der Nähe des geografischen Mittelpunkts Europas.

Dieser Mittelpunkt hat sich in den vergangenen fünf Jahren stark verändert. Während vor den fünf Jahren hier lediglich eine Säule stand, haben sich mittlerweile um diese Säule ein Restaurant, bald auch eine Pension, Souvenirhändler und ein Bärenführer mit einem ausgestopften Bären, den man gegen Geld fotografieren kann, geschart. Das war uns denn auch ein bisschen zuviel des Guten und wir fuhren direkt in die Stadt.

Rachiw ist im Sommer nicht unbedingt ein Kleinod, aber von hier kommt man schnell in und auf die Karpaten. Die Howerla (Gowerla – 2.061 m) ist mit dem Auto und zu Fuß erreichbar und auch die umliegenden Berge kann man ersteigen. Ich brauchte noch einen Tag im Hotel, um mich zu erholen, die anderen beiden zogen los und sondierten das Gelände. Als sie zurück kamen, erklärten Sie mir, das Gelände sei nicht besonders und da wir mittlerweile alle drei mehr oder weniger mageninfiziert waren, machten wir auf Diät und einen ruhigen Abend.

Wir waren tags darauf schon fast raus aus der Stadt, da erklärte uns Micha, dass Rachiw ja der zentrale Tourismusknotenpunkt der Karpaten sei und die Verwaltung des Biosphärenreservats mit einem interessanten Museum ja auch hier liege. Und so besuchten wir das Museum, das natürlich geschlossen war und geschlossen blieb, aber wir lernten ein paar Mitarbeiter der Verwaltung kennen, die uns für den kommenden Tag auf eine Bergtour einluden. Da sagten wir natürlich zu und stiegen nach einer abenteuerlichen Tour mit dem UAZ-Geländewagen über Forstwege hinauf auf die Bliznizy (Blisnitzy – 1.881m). Der Bergführer erzählte uns viel über die Berge, die Einsamkeit hier oben, sein Leben hier und empfahl uns ein nettes Hotel auf dem Berg für unser Mittagessen.

In den ukrainischen Karpaten wird emsig an Hotels, Sanatorien und Pensionen gebaut. Das touristische Potential der Region wird von Jahr zu Jahr größer und seit die Visumspflicht für EU-Bürger erloschen ist, rechnen viele Ukrainer mit einem Anstieg der Besucherzahlen aus dem Westen und investieren in kleine Hotel- und Gastronomieunternehmen.

Denkmal für den geografischen Mittelpunkt Europas
Denkmal für den geografischen Mittelpunkt Europas

Tag 12
Auf verschlungenen und oftmals katastrophalen Strassen zog sich unser Weg durch die Karpaten, wir suchten nach historischen Holzkirchen und anderen interessanten Örtchen. Wir fuhren über Pässe, die aussahen wie Märkte, auf denen sich Reisende mit allem wichtigen für eine Reise eindecken können – Lammfelle, geschnitze Wanderstöcke, bemalte Steine und Hölzchen, falsche Ikonen; allesamt Tand und Tünnef, aber auch Kaffee, Tee, Schaschlyk und Zigaretten.

Am Abend erreichten wir Kolomija, ein kleines Städtchen im Zeichen des Osterei. Hier gibt es das einzige Ostereimuseum Europas (wahrscheinlich gibt’s noch eins in Amerika, aber da gibt’s ja eh alles), hier werden kleine Kunstwerke aus über hundert Jahren Ostereigeschichte gesammelt und präsentiert. Schräg gegenüber war unser Hotel, wir schliefen quasi mit Blick aufs Osterei.

Das Ostereimuseum in Kolomija
Das Ostereimuseum in Kolomija

Tag 13
Langsam wurde die Zeit knapp, die wir zur Verfügung hatten und also fuhren wir nach dem Frühstück, das in einer sowjetisch angehauchten Konditorei stattfand und aus fetter Sahnetorte mit Tee/Kaffee bestand, über Ivano- Frankivsk nach Lemberg. Nach vier Autostunden waren wir da und suchten nach einem preiswerten Hotel. Da wir wenig Standard gewöhnt sind, haben wir uns im Hotel Kiew eingemietet. Wenn man mit Möblierung aus den sechziger Jahren umgehen kann, ist es völlig ausreichend. Der Vorteil liegt auch in der zentralen Lage des Hotels gleich neben der Oper. Um die Ecke lag eine usbekische Teestube, in der wir einen sehr leckeren Plow mit eiskaltem Bier zu uns nahmen. Danach gings in die Stadt, die einige sehr sehenswerte Ecken hat. Natürlich hat die sozialistische Epoche viel einstmals Sehenswertes verfallen lassen und es bedarf großer Anstrengungen, diese Schätze wieder zum Leben zu erwecken. Aber die Stadt kümmert sich um ihre historischen Gebäude und macht sich für den erwarteten Besucheransturm aus der EU hübsch. Gerade polnische Touristen haben ein großes Interesse an diesem Teil ihrer Geschichte, auch deutsche Touristen entdecken mehr und mehr diese verwunschene Stadt mit Ihren eindrucksvollen Bürgerhäusern, stillen Parkanlagen und Friedhöfen, die Geschichten vom wilden Nationalitätengemisch erzählen, das hier einst herrschte. Ich bin gespannt, wie sich dieses Lviv entwickelt und welche Veränderungen und neuen Geheimnisse wir auf unserer nächsten Reise hierher entdecken werden.


Tag 14
Nachdem wir uns extra früh von den weichen Betten des "Kiew" verabschiedet hatten, kauften wir als Souvenir jeder noch eine Wodkaflasche für zuhause und fuhren los, kurs auf Grenze. Die war rappeldicke voll, wir mussten elendig Stunde um Stunde warten, bis wir endlich in den Zollbereich einfahren konnten. Dort gab es dann aber eine Extraspur für EU- Bürger ohne zu Verzollendes und so waren wir schneller als wir "dostoprimetschatelnosti" sagen konnten, in Polen. Langsam wurde es dunkel und wir hatten noch über 800 km vor uns. Die waren dann aber dank der vergleichsweise gut ausgebauten polnischen Strassen und der nächtlichen Verkehrsruhe relativ fix überstanden. Morgens um acht kamen wir in Berlin an, schlossen unsere Lieben in die Arme und verabschiedeten sie zur Arbeit, um halb bewußtlos ins Bett zu fallen. Aber schön wars trotzdem!

Während des Gottesdienstes am Sinewir
Während des Gottesdienstes am Sinewir